Aktuelles VEE

Heute denken wir an Annette von Droste Hülshoff, die 1848 im Alter von nur 51 Jahren verstarb.


Mit ihren letzen Worten, machte sie noch einmal den Wunsch deutlich welchen sie schon in ihrem ersten Kindheitsgedicht, „versteckt im Turm“, zu Papier brachte. Sie schrieb-„in 100 Jahren möchte ich gelesen werden“.
Ihr Wunsch hat sich erfüllt, denn wir alle begegneten ihr und ihren Schriften während unserer Schulzeit.
„Der Knabe im Moor“ oder „die Judenbuche“ begleiten uns, ob wir wollen oder nicht.

Annette ist ihrer Zeit voraus, im eigentlichen und übertragenen Sinne zu früh geboren.
Ihr gesamtes Leben macht Ihr ihre kränkelnde Gesundheit zu schaffen, denn als sieben Monatskind leidet sie sehr unter den Folgen der frühen Geburt. Genauso aber leidet sie an ihrer Kreativität, welche sie nur sehr eingeschränkt ausleben darf. Auf Ihr erstes Büchlein mit Gedichten erhält sie aus der Literarischen Männerwelt Kommentare, wie „Plunder, unverständlich, konfus geschriebenes Zeug“.
Sie ist hochbegabt und passt nicht in die enge Korsage der Gesellschaft und des Adels. Diese Zerrissenheit wird sie bis an ihr Lebensende begleiten, erst vier Jahre vor ihrem Tod verdient sie mit Ihrer Lyrik ihr erstes eigenes Geld. Ihren Drang nach seelischer Freiheit spürt man in ihren Gedichten, in denen sie gekonnt ihre Seelenzustände mit Naturwahrnehmungen verspinnt.
Im realen Leben mit festgesteckten Haaren, in ihren Gedichten, öffnet sie es und lässt es vom Wind zerzausen.

Großartig ist diese Frauengestalt, die auch bei Wilhelm Grimm Eindruck hinterließ. Eine Frau, die nicht in ihre Zeit passte, obwohl sie es versuchte. Eine, deren Liebe zur Natur und Lyrik unendlich groß war und deren eigene Liebe sich auf so unglückliche Weise durch ihr Leben zu ziehen scheint. Sie, die in ihrem Streben nach Freiheit wünschte „wenigstens ein Mann zu sein“ und die sich selber im Spiegel nicht zu erkennen glaubte.
Im Netz finden sich viele bekannte und unbekannte Texte von ihr. Anbei haben wir zwei, wie wir finden, wunderbar ausdrucksstarke Gedichte angehangen, viel Vergnügen beim Lesen:

Am Turme

Ich steh’ auf hohem Balkone am Turm,
Umstrichen vom schreienden Stare,
Und laß’ gleich einer Mänade den Sturm
Mir wühlen im flatternden Haare;
O wilder Geselle, o toller Fant,
Ich möchte dich kräftig umschlingen,
Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
Auf Tod und Leben dann ringen!

Und drunten seh’ ich am Strand, so frisch
Wie spielende Doggen, die Wellen
Sich tummeln rings mit Geklaff[ und Gezisch,
Und glänzende Flocken schnellen.
O, springen möcht’ ich hinein alsbald,
Recht in die tobende Meute,
Und jagen durch den korallenen Wald
Das Walroß, die lustige Beute!

Und drüben seh’ ich ein Wimpel wehn
So keck wie eine Standarte,
Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
Von meiner luftigen Warte;
O, sitzen möcht’ ich im kämpfenden Schiff,
Das Steuerruder ergreifen,
Und zischend über das brandende Riff
Wie eine Seemöwe streifen.

Wär ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;
Nun muß ich sitzen so fein und klar,
Gleich einem artigen Kinde,
Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
Und lassen es flattern im Winde!

Das Spiegelbild

Schaust du mich an aus dem Kristall,
Mit deiner Augen Nebelball,
Kometen gleich die im Verbleichen;
Mit Zügen, worin wunderlich
Zwei Seelen wie Spione sich
Umschleichen, ja, dann flüstre ich:
Phantom, du bist nicht meinesgleichen!
Bist nur entschlüpft der Träume Hut,
Zu eisen mir das warme Blut,
Die dunkle Locke mir zu blassen;
Und dennoch, dämmerndes Gesicht,
Drin seltsam spielt ein Doppellicht,
Trätest du vor, ich weiß es nicht,
Würd′ ich dich lieben oder hassen?
Zu deiner Stirne Herrscherthron,
Wo die Gedanken leisten Fron
Wie Knechte, würd′ ich schüchtern blicken;
Doch von des Auges kaltem Glast,
Voll toten Lichts, gebrochen fast,
Gespenstig, würd′ , ein scheuer Gast,
Weit, weit ich meinen Schemel rücken.
Und was den Mund umspielt so lind,
So weich und hülflos wie ein Kind,
Das möcht′ in treue Hut ich bergen;
Und wieder, wenn er höhnend spielt,
Wie von gespanntem Bogen zielt,
Wenn leis′ es durch die Züge wühlt,
Dann möcht′ ich fliehen wie vor Schergen.
Es ist gewiß, du bist nicht ich,
Ein fremdes Dasein, dem ich mich
Wie Moses nahe, unbeschuhet,
Voll Kräfte die mir nicht bewußt,
Voll fremden Leides, fremder Lust;
Gnade mir Gott, wenn in der Brust
Mir schlummernd deine Seele ruhet!
Und dennoch fühl′ ich, wie verwandt,
Zu deinen Schauern mich gebannt,
Und Liebe muß der Furcht sich einen.
Ja, trätest aus Kristalles Rund,
Phantom, du lebend auf den Grund,
Nur leise zittern würd′ ich, und
Mich dünkt – ich würde um dich weinen!

Quellen:
https://www.youtube.com/watch?v=ko0L_jNvj24
Wikipedia
https://www.gedichte-lyrik-online.de

0 Kommentare zu “Heute denken wir an Annette von Droste Hülshoff, die 1848 im Alter von nur 51 Jahren verstarb.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert