Die Feuersteiner Thesen zur sozialen Verantwortung von Erzähler/innen
Sie wurden beim Erzählertreffen 20217 auf Burg Feuersteine wie folgt benannt:
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Erzähler/innen haben dort eine soziale Verantwortung und Verpflichtung, wo sie durch Erzählen etwas bewirken können.
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Zwischen Erzähler/innen und Zuhörer/innen entsteht immer ein besonderer Raum, ein sozialer Wirkungsbereich.
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Die „Wirkmacht des Wortes“ kann Fluch oder Segen bedeuten. Darum müssen Erzähler/innen um das Wirkungspotenzial ihrer Geschichten wissen (Rassismus, Diskriminierung, schwarze Pädagogik …).
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Dazu gehört immer auch eine Überprüfung der eigenen Haltung: Welche Einstellung habe ich selbst zu meiner Geschichte? Ist da vielleicht mein eigener Dämon am Werk? Die Lust, andere zu ängstigen oder manipulativ zu wirken?
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Erzählen kann ebenso eine heilende, wohltuende und manchmal auch eine entdämonisierende Wirkung entfalten. Es kann Empathie und Verständnis für Andere wecken, es kann Völker, Kulturen und Generationen miteinander verbinden und bei der Lösung unversöhnlicher Konflikte helfen, wie es etwa Derick Wilson in der Corrymeela Community in Nordirland praktiziert hat.
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In diesem Sinne sind Erzähler/innen aufgerufen, Schaden zu vermeiden und wo möglich Gutes zu bewirken.
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Dabei ist allerdings Wachsamkeit und Achtsamkeit geboten – niemand sollte sich anmaßen, therapeutisch wirken zu wollen. Ein zweckorientierter Gebrauch von Geschichten verengt tendenziell deren Potenzial; ein deutungsoffenes Erzählen öffnet dagegen Türen bzw. hält sie offen.
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Als „Hüter/innen des Worts“ sind Erzähler/innen, die sich mit überlieferten Geschichten befassen, im Übrigen auch den Erzähler/innen vor ihnen verpflichtet – nicht zu wortwörtlicher Übernahme, aber doch zu Respekt und zu „zärtlicher Zuneigung“ ihren Erzählstoffen gegenüber. Und im Blick auf mögliche Erzähler/innen nach ihnen kann niemand von sich sagen, der Weisheit letzten Schluss zu besitzen.
Burg Feuerstein im Juli 2017